Glyptothek
Saal des Alexander
Sammlung antiker Skulpturen
Alexander und der Hellenismus
Meisterwerke griechischer und römischer Skulptur
Ich habe viel Herzblut in die Aufnahmen gesteckt und freue mich, wenn für den archäologisch Interessierten und/oder Liebhaber antiker Kunst, diese „Artikel“ Anklang finden.
Alexander der Große und der Hellenismus
3.-1. Jahrhundert v. Chr.
Für die Entwicklung des Griechen Porträts war die Ausrichtung auf des Individuum in der Kunst des Hellenismus natürlich von größter Bedeutung, eröffneten sich hier doch ganz neue Gestaltungsmöglichkeiten. So entstanden in der Nachfolge Alexanders des Großen unter anderem heftig bewegte Bildnisse von charismatischen, pathetisch in die Ferne blickenden und meist jugendlich gezeigten hellenistischen Herrschern mit ihren oft stark schwellenden Gesichtsformen.
Obwohl wir von sehr vielen hellenistischen Königen und teilweise von ihren Frauen Münzbilder besitzen, ist eine Identifizierung ihrer Marmor- oder Bronzeporträts häufig schwierig. In erster Linie liegt das daran, dass die Physiognomie ein und derselben Person stark variieren kann und – anders als später beim römischen Kaiserbildnis – eine feste Zuordnung zu Porträttypen noch nicht gegeben ist..
Mit den Eroberungen Alexanders des Großen erfuhr der Wirkungskreis griechischer Kunst und Kultur eine zuvor ungeahnte Ausdehnung. Vom Westen des Mittelmeerraumes, der bereits in den Jahrhunderten zuvor stark hellenisiert worden war, bis in den Nahen Osten breitete sich nun eine griechische Einheitskultur aus, die gegenüber Einflüssen von außen zwar stets offen war, ihrerseits aber die in den einzelnen Gebieten der hellenistischen Welt vorhandenen lokalen Traditionen meist vollständig überprägte.
In der bildenden Kunst und vor allem der Skulptur sprengte die Gestaltung nun die bisher gültigen Grenzen klassischer Form: Die Figuren waren fortan nicht mehr an die festen Standmotive der Klassik gebunden, sondern griffen weit in den Raum aus. Zugleich ging es den Bildhauern jetzt weniger um die Darstellung vollendeter Körper und vollbildlicher Tugendhaftigkeit, sondern darum, den einzelnen Menschen in ganz bestimmten Lebenssituationen zu zeigen, mit all seinen Gefühlen, bisweilen sogar in all seiner körperlichen Unvollkommenheit. Das Besondere, Außergewöhnliche, Individuelle trat damit für die Künstler in den Mittelpunkt ihres Interesses, ohne das man dies als echten Realismus oder reinen Naturalismus missverstehen darf.
Daneben war es nun aber auch möglich, ganz andere Politikerporträts zu entwerfen – wie wir es etwa in der angestrengt konzentrierten, ja sorgenvollen Miene des Demosthenes, jenes berühmten Athener Gegenspielers des jungen Makedonenkönigs, beobachten können. Und auch die Bildnisse zeitgenössischer Philosophen mit ihren asketisch hageren Gesichtern und den zerfurchten Denkerstirnen legen ein beredtes Zeugnis für die Virtuosität hellenistischer Porträtkünstler ab.
Der Alexander Schwarzenberg der Glyptothek ist wohl eine Kopfkopie des berühmten Alexander mit der Lanze, den der Hofbildhauer Alexanders, Lysipp, geschaffen hat. Die einzige erhaltene lebensgroße Statue des Makedonenkönigs haben wir im Alexander Rondanini vor uns. Gesicht und Haarbildung stehen in der Tradition idealer spätklassischer Männerbilder. Doch der athletische Körper, der in die ferne schweifende Blick und die wallenden Haare mit der Anastole passen zu Alexander. Die Pose erinnert an den Helden Achill, wie er neue Waffen aus den Händen seiner Mutter Thetis entgegennimmt. Mit Achill identifizierte sich Alexander stark. Aber auch Herakles spielte eine bedeutende Rolle in seiner Herrscherlegitimation.
Die Nachfolger Alexanders übernahmen dies für ihre Selbstdarstellung: So entstand im frühen 3. Jahrhundert v. Chr. ein unterlebensgroßer Kopf (GL 532), der angeblich aus der Kyrenaika stammt und wegen seiner idealisierten Züge nicht zu benennen ist.
Alexander der Große (356-323 v. Chr.) hat in seinem kurzen Leben die Welt grundlegend verändert. Auch sein Porträt bildet eine Wendemarke in der Kunst. Kennzeichnend für Alexander ist seine jugendlich wirkende Bartlosigkeit, die im auffälligem Gegensatz zu den sonst üblichen Bildnissen griechischer Männer in klassischer Zeit steht. Charakteristisch ist ferner das reiche, lockige Haar, das über der Stirn fontänenartig aufsteigt. Dieses als Anastole bezeichnete Haarmotiv erinnert sowohl an Götterbilder als auch an die Mähne eines Löwen und wird einhellig als Versinnbildlichung seines Mutes und Heldentums verstanden.