Alte Männer

Zu den großartigsten Beispielen römischer Porträtkunst zählt der Kopf eines alten, bärbeißigen Römers aus den Jahren um 60 v. Chr., der einst in eine Statue eingesetzt war. Sein energisches Gesicht ist vom Alter gezeichnet. Das zeigt der kahle Schädel, der nur von einem Haarkranz gesäumt wird; dazu die von tiefen Schrägfalten zerfurchte Stirn, die von mächtigen Krähenfüßen flankierten schmalen Augen, die übergroßen Ohren, der breite und schiefe Mund sowie die eingefallenen, extrem faltigen Wangen. All dies spricht eine deutliche Sprache: Es ist hier ein Greis gezeigt, der ohne jede Illusion der Härte des Lebens ins Auge blickt. Dabei wirkt er aber gleichzeitig wachsam und konzentriert, scheint durchaus Herr der Lage zu sein.

Vergleichbare Züge tragen zahlreiche Porträts aus der Zeit der späten Republik. Damals wurden die höchsten Magistrate Roms in der Volksversammlung aus dem Kreis der alteingesessenen Senatsaristokratie gewählt, um ein Jahr lang die Geschicke Roms zu lenken. Reiche Erfahrungen, gepaart mit einem zupackenden Wesen, bildeten dafür die wesentliche Voraussetzung. Wie konnte man diese Qualitäten besser im Bild darstellen als durch hohes Alter und ein energisches Äußeres? Man darf spätrepublikanische Porträts daher nicht als realistische, sondern muss sie als idealisierte Abbilder der dargestellten Personen verstehen. Nur zielt das Ideal hier nicht auf eine möglichst zeitlose und ebenmäßige Schönheit, sondern auf eine Betonung von Alter, Erfahrung und Leistung, die die Römer als hohe Werte schätzten.

Familienbande

Für das julisch-claudische Kaiserhaus war die Propagierung möglicher Thronerben ein wesentlicher Faktor der Machterhaltung, denn die Aussicht einer geregelten Nachfolge sorgte für das Gefühl von Sicherheit und Stabilität bei den Bürgern des Imperiums. Andererseits dienten Bildnisse der Vorfahren der Herrschaftslegitimation. Antonia Minor beispielsweise war die Tochter des Marcus Antonius und der Octavia, der Schwester des Augustus. Für ihren Sohn Claudius (reg. 41-54 n. Chr.) besaß sie besondere Bedeutung, denn sie stellte seine einzige dynastische Verbindung mit der Familie des Augustus dar. Schon sein Vorgänger und Neffe Caligula (reg. 37-41 n. Chr.) hatte Antonia zur Augusta ernannt.

Gleichermaßen wichtig für Claudius wie für Caligula war Germanicus. Der ältere Bruder des Claudius und Vater des Caligula hatte sich als ein möglicher Nachfolger des Augustus außergewöhnlicher Beliebtheit beim römischen Volk erfreut, war aber vorzeitig gestorben. Seit der Herrschaft des Caligula erschienen Antonia und Germanicus öfter in den Familiengalerien des Herrscherhauses. Die beiden hier gezeigten Porträts des Germanicus wurden vermutlich in zwei verschiedenen Werkstätten hergestellt, die mit unterschiedlichen Handwerkstechniken arbeiteten. Bei einem von ihnen wurde verstärkt der Bohrer eingesetzt, und die Frisur besitzt mehr Plastizität.

Nero

Nero (reg. 54—68 n. Chr.) war der Adoptivsohn des Kaisers Claudius. Von ihm besitzen wir Knabenbildnisse, die anlässlich seiner Adoption durch seinen GroBonkeI entstanden sind. Sie zeigen ihn noch ganz in der Tradition der julisch—claudischen Prinzenporträts mit Haarsträhnen, die in die Stirn fallen. Nachdem er sich seiner zunächst noch gemeinsam mit ihm regierenden Mutter Agrippina entledigt hatte, änderte er sein Image und trug das Haar der aktuellen Mode gemäß in mehrere Lockenreihen gestuft. Seine allmählich wachsende Körperfülle lässt sich gut an seinen Porträts ablesen.



Wirtschaftlich und kulturell florierte unter Nero das |mperium, das inzwischen von einer effektiven Verwaltung gelenkt wurde. Allerdings mangelte es dem Kaiser an persönlichem Ehrgeiz auf politischem Feld, er sah sich vielmehr als Künstler auf dem Thron. Seine kostspieligen Bauprojekte in Rom drohten den Staat in den Ruin zu treiben und so wurde er vom Militär aus dem Weg geräumt. Neros Porträt als Alleinherrscher führt die schon bei Caligula und Claudius zu beobachtende Abkehr vom idealisierten Herrscherbild konsequent fort. Auch Bildnisse außerhalb des Kaiserhauses zeigen wieder stärker individuelle Züge. Der Mann mit dem Efeukranz im Haar (GL 343) hat sich als Dichter darstellen lassen. Sein Kopf war pathetisch bewegt. Bei einem anderen zeitgenössischen Bildnis (GL 392) fallen die spezifische Nasenform und die außergewöhnlich geformte Stirn auf.

Der Herrscher versuchte, durch großzügige finanzielle Hilfen die Not zu lindern. Das Porträt des Titus ist eng mit dem des Nero verbunden, vor allem in der demonstrativen Fülligkeit und der bewusst der aktuellen Mode folgenden Frisur. Er hat ein kräftiges Doppelkinn, eine tief gefurchte Stirn und eine Haartracht, die an die neronischen Lockenreihen erinnert. Der Historiker Sueton beschreibt ihn als eine anmutige Erscheinung mit Autorität und Grazie, vor allem aber hart, nicht gerade groß und mit einem leicht vorspringenden Bauch. Der monumentale Münchner Kopf gehörte vermutlich zu einer Statue des vergöttlichten Kaisers, die postum von dessen Bruder Domitian errichtet wurde.

Titus

Titus, 80-96 n. Chr. (GL 338)|

Vespasian (reg. 69-79 n. Chr.), der Begründer der flavischen Dynastie, ging aus den Wirren nach dem Tod Neros als Sieger hervor und wurde mit beinahe 60 Jahren Kaiser Er war sparsam und konsolidierte die Staatskasse. Als alten Soldaten zeichneten ihn Umgänglichkeit und Schlagfertigkeit aus. Vespasians Sohn Titus war ebenfalls sehr volksnah und beliebt. Militärischen Ruhm erlangte er durch die Eroberung Jerusalems im Jahr 70 n. Chr., in deren Verlauf der jüdische Tempel zerstört wurde. Aus der Beute finanzierten die Flavier den Bau des Kolosseums. Nach dem Tod des Vaters wurde Titus zum neuen Kaiser (reg. 79-81 n. Chr.), doch wahrte seine Herrschaft nur kurz. Zudem wurde sie vom Ausbruch des Vesuv am Golf von Neapel sowie einer Seuche und einem Stadtbrand in Rom überschattet.

Der Herrscher versuchte, durch großzügige finanzielle Hilfen die Not zu lindern. Das Porträt des Titus ist eng mit dem des Nero verbunden, vor allem in der demonstrativen Fülligkeit und der bewusst der aktuellen Mode folgenden Frisur. Er hat ein kräftiges Doppelkinn, eine tief gefurchte Stirn und eine Haartracht, die an die neronischen Lockenreihen erinnert. Der Historiker Sueton beschreibt ihn als eine anmutige Erscheinung mit Autorität und Grazie, vor allem aber hart, nicht gerade groß und mit einem leicht vorspringenden Bauch. Der monumentale Münchner Kopf gehörte vermutlich zu einer Statue des vergöttlichten Kaisers, die postum von dessen Bruder Domitian errichtet wurde.