Philosophen
Die Reihe der sicher benennbaren Philosophenbildnisse beginnt mit dem Porträt des Sokrates. Der 469 v. Chr. geborene Athener scheint das Philosophieren gegen 430 v. Chr. aufgenommen zu haben. Es wird überliefert, das Orakel in Delphi habe geurteilt, kein Mensch sei weiser als Sokrates. Doch mit seinem unablässigen Fragen machte er sich auch Feinde unter den Mitbürgern, die ihn 399 v. Chr. wegen Gotteslästerung anklagten und zum Tode verurteilten.
Über das Aussehen des Sokrates sind wir vermeintlich gut unterrichtet. In den Schriften seiner Schüler Xenophon und Platon wird sein Äußeres beschrieben. Demnach hatte er vorquellende Augen, eine eingedrückte Nase, einen großen Mund und wulstige Lippen, ja man sagt, er habe wie ein Silen oder Satyr ausgesehen. So zeigt ihn auch ein erstes, drastisches Porträt aus den Jahren um 380 v. Chr. (Typus A), das später im Ausdruck etwas gemildert wurde (Typus B).
Das für griechische Betrachter betont hässliche Äußere steht in einem auffallenden Gegensatz zur Kalokagathia, dem damaligen Ideal der körperlichen und geistigen Vortrefflichkeit. Dagegen passt es gut zur Auffassung Platons (427-356 v. Chr.), in dessen Denken der Gegensatz von Schein und Sein eine zentrale Rolle einnimmt. Das Bildnis Platons selbst folgt hingegen ganz dem Idealbild eines attischen Bürgers seiner Zeit.
Tragödiendichter
Unter den attischen Dramatikern des 5. Jahrhunderts v. Chr., die sich bei den alljährlichen Festen zu Ehren des Theatergottes Dionysos in Tragödienwettbewerben miteinander maßen, ragen drei Dichter heraus: Aischylos, Sophokles und Euripides galten schon der Antike als vorbildhaft. Der traditionsbewusste Athener Lykurg stiftete um 330 v. Chr. Statuen der Dichter und ließ ihre Werke in Abschriften sichern. Die Bildnisse waren an prominenter Stelle im Dionysostheater für alle Bürger sichtbar.
Der älteste der großen Drei, Aischylos (525-456 v. Chr.), errang 13-mal den Siegespreis bei den Dionysien. Sophokles (496-406 v. Chr.) war 24-mal bei den Dionysien siegreich. Den Zeitgenossen galt er als Liebling der Götter. Euripides (480–406 v. Chr.) hingegen war der Überlieferung nach ein mürrischer „Philosoph der Bühne“ mit aufklärerischen Ideen. Er lebte zurückgezogen und vernachlässigte sein Äußeres. Sein Bildnis im Typus Rieti verzichtet auf die drastische Wiedergabe von Alterszügen.
Ein heute namenloses Porträt (GL 303) muss einen bekannten Griechen darstellen: Der Mann trägt bis in den Nacken reichendes, ungepflegtes Haar, das in unregelmäßigen, verschlungenen Strähnen herabfällt und in der Stirn schütter wird. Auch das Barthaar ist ungeordnet. Die zusammengezogenen Brauen sind eine geläufige Chiffre für Nachdenklichkeit. Da wir keine deutlichen Kriterien für eine Scheidung von Dichtern und Philosophen besitzen, muss offen bleiben, welcher Berufsgruppe dieser Mann zuzuordnen ist.
Komödiendichter
Kein anderer Dichter der Antike ist so häufig dargestellt worden wie Menander (342-293 v. Chr.), der berühmteste Vertreter der Neuen Komödie. Das Bildnis zeigt den Poeten aus vornehmer athenischer Familie mit deutlichen Spuren des Alters, obwohl Menander bei seinem Tod gerade einmal 50 Jahre alt war: eingefallene Wangen, tiefe Nasolabialfalten, Krähenfüße, Tränensäcke. Die nicht mehr vollen Haare sind über der hohen Stirn sorgfältig frisiert. Als einer der ersten Dichter und Denker hat Menander von Alexander dem Großen die Bartlosigkeit übernommen.
Und auch die Bildung der Schläfenhaare erinnert an den charismatischen Makedonenkönig. Diese Attitüde scheint für den Komödiendichter keineswegs unpassend zu sein, galt er doch als ausgesprochener Lebemann, der bezeichnenderweise bei einem Badeunfall im Piräus ums Leben kam. Menander war einer der meistzitierten Autoren der Antike. Auf ihn geht auch der berühmte, vom Historiker Sueton mit alea iacta est falsch ins Lateinische übersetzte Ausspruch Julius Caesars zurück, als dieser im Griff nach der Macht am 10. Januar 49 v. Chr. mit seinen Truppen südlich von Ravenna den Rubicon, den Grenzfluss Roms, überschritt und damit der römischen Republik den Todesstoß versetzte: „Der Würfel soll geworfen sein!“
Bildimpressionen aus der Glyptothek. Alle Fotos © Janka Heissinger (Janka4Travel).
Texte entnommen den Hinweistafeln der Glyptothek.